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EU-Lieferkettengesetz: EU-Staaten stimmen für stark abgeschwächtes Lieferkettengesetz

Die EU-Mitgliedstaaten im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) haben grünes Licht für das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) gegeben. Das Gesetz gilt auch für Schweizer Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 450 Mio. Euro in der EU.

Potenziell von Menschenrechtsverletzungen betroffene Menschen am Anfang der Lieferkette müssen laut Richtlinie miteinbezogen werden.

Eigentlich sind das gute Nachrichten aus Brüssel. Aber: Die Richtlinie, die nun noch vor der Europawahl im Juni verabschiedet werden muss, stellt einen verwässerten Kompromiss dar. Sie ist Ergebnis eines frustrierenden Prozesses, der die Glaubwürdigkeit des EU-Gesetzgebungsverfahrens stark untergraben hat.

«Wir bedauern es sehr, dass die im Dezember 2023 erzielte politische Einigung nicht eingehalten wurde», sagte Meri Hyrske-Fischer, Menschenrechtsberaterin bei Fairtrade International. So soll die Richtlinie erst 2032 vollumfänglich gelten – und auch nur für sehr grosse Unternehmen: Von ursprünglich 500 Beschäftigten wurde der Geltungsbereich auf 1'000 Beschäftigte und von 150 auf 450 Millionen Euro Jahresumsatz geschmälert. Damit betrifft das Gesetz nur noch rund 5'500 Unternehmen in der EU, also ein Drittel der ursprünglich erfassten Unternehmen.

Aber: Das EU-Lieferkettengesetz gilt auch für Schweizer und andere Unternehmen ausserhalb der EU, die mindestens 450 Millionen Euro Jahresumsatz in der EU generieren.

Ausserdem wurde der Begriff «Hochrisikosektoren» aus dem Anwendungsbereich gestrichen. Und auch bei den Anwendungsfristen wurden Zugeständnisse gemacht: Nun beginnen zunächst nur sehr grosse Unternehmen ab 5'000 Beschäftigten und 1'500 Millionen Umsatz mit der Anwendung der Bestimmungen im Jahr 2027 und gehen dann schrittweise bis 2029 vor.

Für die Menschen am Anfang der Lieferkette, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, ist das alles andere als ideal. 

Besser ein abgeschwächtes EU-Gesetz zur Sorgfaltspflicht als gar keines

Trotz dieser Nachteile – das Ja zum Kompromiss im AStV nach Wochen der Ungewissheit und angesichts der tickenden Uhr ist immer noch besser als gar keine Einigung.

Bereits die blosse Existenz des EU-Lieferkettengesetzes bietet Sicherheit und legt Erwartungen und Anforderungen fest, die in Zukunft für eine viel grössere Gruppe von Unternehmen verbindlich werden dürften. Ausserdem wird das potenzielle Chaos vermieden, das sich aus dem Flickenteppich nationaler Sorgfaltspflichtgesetze ergibt, indem ein gemeinsamer Rechtsrahmen geschaffen wird, der für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgt.

Gut und wichtig: Existenzsichernde Einkommen und Mitsprache potentiell Betroffener

Positiv bewerten Fairtrade und auch das Fair Trade Advocacy Office, dass neben existenzsichernden Löhnen auch existenzsichernde Einkommen als Menschenrecht anerkannt wird.

Darüber hinaus unterstreicht die Richtlinie den Ansatz der gemeinsamen Verantwortung und damit einhergehend die konkrete Unterstützung von Lieferanten. Potenziell von Menschenrechtsverletzungen betroffene Menschen am Anfang der Lieferkette müssen laut Richtlinie miteinbezogen werden. «Dies sind dringend benötigte Elemente, die das Potenzial haben, das Ungleichgewicht in Wertschöpfungsketten auszugleichen und sie nachhaltiger zu gestalten», so Hylander. 

Fairtrade und das Fair Trade Advocacy Office fordern das Europäische Parlament explizit dazu auf, den Kompromiss zu unterstützen.