Herausforderungen

Fairtrade ist in einem anspruchsvollen Kontext tätig

Von den Reisbauern in Indien über die Arbeiterinnen auf kenianischen Blumenfarmen bis hin zu den Kleinbauern, die Bananen und Mangos in Ecuador anbauen: Für sie alle macht Fairtrade einen Unterschied. Aber auch eine Fairtrade-Zertifizierung vermag in den oft schwierigen Kontexten nicht alle ökonomischen, sozialen und politischen Probleme zu lösen. Nachhaltiger Wandel braucht Zeit und verschiedene Akteure, die am gleichen Strang ziehen.

Viele Kleinbauernfamilien und Angestellte in Entwicklungs- und Schwellenländern leben konstant an der Schwelle zur Armut oder darunter – sie haben weder eine attraktive Perspektive innerhalb der Landwirtschaft noch eine wirkliche Alternative. Kleinbauern leiden unter schwankenden Rohstoffpreisen und nicht selten auch unter den Folgen von Handelsstrukturen, welche Preisdruck und Risiko auf das erste und schwächste Glied in der Produktionskette abwälzen. Weitere zentrale Probleme sind steigende Lebenshaltungskosten und der Klimawandel, verbunden mit Ernteverlusten sowie strukturellen Problemen wie kleinen Landflächen und einem tiefen Entwicklungsstand ländlicher Gegenden. In diesem komplexen und oft von Armut geprägten Kontext operiert Fairtrade – mit dem Ziel, die Produzenten über Organisation und Handel langfristig zu stärken.

Wirkung ist kein Zustand, sondern ein Prozess auf verschiedenen Ebenen:

Starke Produzentenorganisationen sind der Schlüssel zu selbstbestimmter Entwicklung. Fairtrade fördert dies durch demokratisch organisierte Kooperativen und Arbeitergremien. Der Zusammenschluss fördert den Austausch von Wissen (gegen innen) und ein gestärktes Auftreten (gegen aussen).

Fairtrade schafft Marktzugang zu vorteilhaften Bedingungen und fördert langfristige partnerschaftliche Handelsbeziehungen. Die Mindestpreise bieten ein Sicherheitsnetz und die zusätzliche Fairtrade-Prämie ermöglicht wichtige Investitionen.

Fairtrade führt zu verbesserter Produktion (Qualität, Produktivität) und häufig auch zu mehr Wertschöpfung in den Ursprungsländern. Schutz von natürlichen Ressourcen sowie fairere Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz sind ebenfalls zentrale Wirkungsfelder bei Fairtrade.

 

Herausforderungen auf dem Weg der Entwicklung

Der faire Handel trägt massgeblich zu einem positiven Entwicklungsprozess bei. Trotz der positiven Wirkung kann Fairtrade aber nicht alle Probleme lösen – denn der ökonomische Druck auf die Produzentenorganisationen macht auch vor Fairtrade-zertifizierten Betrieben nicht Halt. Entsprechend notwendig sind Effizienzsteigerungen und weitere Professionalisierung. Auch Chancengleichheit bleibt trotz demokratischer Strukturen innerhalb der Kooperativen in vielen Ländern eine Herausforderung. Nicht zuletzt stellen die Auswirkungen des Klimawandels Bauern vor immense Herausforderungen. Um diese tief verwurzelten sowie neu auftauchenden Probleme zu überwinden, sind auch Politik und Wirtschaft gefordert.

Erwartungen und Realitäten

Fairtrade ist in einem Umfeld tätig, das reich an Herausforderungen ist. Entsprechend bewegt sich Fairtrade in verschiedenen Spannungsfeldern. Übergeordnet stehen auf der einen Seite oft idealisierte Vorstellungen der Wirkung von Fairtrade, auf der anderen Seite die Realitäten und Notwendigkeiten in den Entwicklungsländern. Im Folgenden wird dies anhand von vier Spannungsfeldern aufgezeigt:

Die Konsumentinnen und Konsumenten im Norden erwarten, dass da, wo Fairtrade draufsteht, auch 100% Fairtrade drin ist. Für die Produzenten im Süden dagegen ist allein entscheidend, dass sie höhere Anteile der Ernte zu den vorteilhaften Fairtrade-Bedingungen verkaufen können. Wirkung bedingt Mengen. Um den Produzentenbedürfnissen gerecht zu werden, hat Fairtrade 2014 beispielsweise das neue Programm-Label lanciert. Den Konsumentenbedürfnissen wird mit transparenter Information Rechnung getragen – damit klar ist, was in einem Fairtrade-Produkt steckt.

Bei über 80% der Fairtrade-Umsätze in der Schweiz ist das Produkt zum Ursprung rückverfolgbar. Bei Kakao, Zucker, Fruchtsaft und Tee ist dies jedoch nicht immer möglich. Wieso? Die Herstellung von Orangensaft beispielsweise ist ein aufwändiger Prozess, der in grossen Verarbeitungsanlagen stattfindet. Müssten hier separate Anlagen für Fairtrade aufgestellt werden, entstünden enorme Mehrkosten, so dass die Fairtrade-Bauern nicht konkurrenzfähig wären und verdrängt würden. Entsprechende "gemischte" Produkte sind im Verkauf "mit Mengenausgleich" gekennzeichnet. Total darf natürlich nur so viel Fairtrade-Orangensaft verkauft werden, wie Fairtrade-Orangen eingekauft wurden, und die Produzenten profitieren von den gleichen Mehrwerten.

Der Endverkaufspreis eines Fairtrade-Produktes wird wie bei konventioneller Ware von den Handelspartnern festgelegt, Max Havelaar kann darauf keinen Einfluss nehmen. Ebenso findet auch bei Fairtrade-Produkten der Grossteil der Wertschöpfung (Verarbeitung, Handel, Vermarktung etc.) im Norden statt. Deshalb kommen von einer Tafel Schokolade eventuell nur ein paar Rappen beim Kakaoproduzenten an. Essenziell ist dabei jedoch die Produzentenperspektive: In der Regel erhalten die Kleinbauern-Kooperativen für ihre Fairtrade-Ware 15% bis 65% Mehrerlös.

Neben Fairtrade Max Havelaar gibt es verschiedene weitere Fairhandels-Organisationen. Alle haben ein gemeinsames Ziel: den Welthandel fairer zu gestalten. Die Wege dorthin sind unterschiedlich gewählt. Ziel von Max Havelaar ist es, fair gehandelte Produkte in den Massenmarkt zu bringen – damit möglichst viele Produzenten in den Entwicklungsländern profitieren. Dies bedingt eine Zusammenarbeit mit sämtlichen Handelsakteuren – vom kleinen Spezialitätengeschäft bis zum Grosskonzern. Die alternativen Handelsorganisationen beziehen ihre Produkte dagegen möglichst direkt von den Produzentenorganisationen. Mainstream und Nische schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich und stützen sich weitgehend auf die gleichen Standards.