Fairtrade stärkt Frauen!

Mit klaren Regeln und Strategien zu mehr Geschlechtergerechtigkeit

In der Schweiz wurde das Frauenstimmrecht 1971 eingeführt. Heute ist es für die meisten von uns kaum vorstellbar, dass Frauen dieses Grundrecht so lange verwehrt war und wie sehr sie dafür kämpfen mussten.

Seitdem wurden viele Schritte gegangen, um Geschlechtergerechtigkeit weiter voran zu treiben, aber zur wirklichen Gleichberechtigung ist es noch ein weiter Weg – so auch im globalen Süden. Fairtrade hat es sich zum Ziel gemacht, die Position der Frauen in Produzentenländern zu stärken, sie zu aktiven Gestalterinnen des Arbeits- und Familienlebens in ihren Gemeinden zu befördern und somit nach und nach die althergebrachten Rollenklischees von Männern und Frauen zum Wohle der gesamten Gesellschaft aufzubrechen.

Neben den in den Fairtrade-Standards verankerten Vorgaben zu Geschlechtergerechtigkeit und dem Verbot von Diskriminierung jeglicher Art, hat Fairtrade 2016 zusätzlich eine Gender-Strategie verabschiedet: Mit gezielten Massnahmen wird die Stärkung von Frauen noch enger an den lokalen Lebensumständen der Produzentinnen ausgerichtet und durch Frauen – und Männer! – gemeinsam umgesetzt.

Hintergrund

Nach Schätzungen der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) könnte die Zahl der unterernährten Menschen um 100 – 150 Millionen reduziert werden, wenn die Ungleichheit der Geschlechter im Agrarsektor beseitigt würde.

Nach aktuellen Schätzungen wird etwa 43 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit weltweit von Frauen geleistet, in sehr armen Ländern bis zu 70 Prozent. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten sind jedoch gering, da sie oft kein Land besitzen und ihnen der Zugang zu Krediten, technischer Unterstützung und Informationen fehlt. Frauen leisten oft die Hauptarbeit, besitzen aber wenig Rechte – zum Schaden der Gemeinschaft. Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) schätzt, dass die Zahl der unterernährten Menschen um 100 – 150 Millionen reduziert werden könnte, wenn die Ungleichheit der Geschlechter auf dem Agrarsektor beseitigt würde. Während Frauen ihr verdientes Geld etwa zu 90 Prozent für die Ernährung der Familie und die Ausbildung der Kinder verwenden, sind es bei den Männern im Schnitt nur 30 Prozent.

Auch in Fairtrade-Organisationen ist die Gleichstellung von Mann und Frau nicht zufriedenstellend. Nur 25 Prozent der Produzenten sind weiblich.

Unser Ansatz

Fairtrade stärkt Frauen innerhalb ihrer Organisationen und fördert ihre gleichberechtigte Teilhabe an Prozessen und Entscheidungen. Der Fairtrade-Ansatz zur Reduzierung des Geschlechterungleichgewichts kann unter dem Begriff „empowerment“ zusammengefasst werden. Frauen erfahren eine individuelle Förderung, um sozial, finanziell und physisch selbstbestimmter handeln zu können.

Darunter verstehen wir das Recht und die Befähigung von Frauen, bei Entscheidungen ihrer Organisationen aktiv mitzuwirken und von den positiven Auswirkungen von Fairtrade unmittelbar zu profitieren. Aufgrund von häufig geringerer Bildung und nachteiligen gesellschaftlichen Normen haben Frauen oftmals keine Mitspracherechte in ihren Kooperativen oder Plantagen und sind von Führungspositionen ausgeschlossen. Viele Fairtrade-Organisationen nutzen Prämiengelder, um gezielt Frauenförderung zu betreiben. Das sind zum einen Weiterbildungsmassnahmen für Frauen, aber auch Projekte zur Erleichterung von Hausarbeit wie zum Beispiel der Bau eines Brunnens oder die Ausstattung mit holzsparenden Kochöfen.

Damit ist gemeint, dass Frauen mehr finanzielle Unabhängigkeit erhalten. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Teile der Prämiengelder einer Kooperative oder Plantage dafür genutzt werden, dass Frauen eine eigene Schweinezucht oder einen Verkaufsladen betreiben, deren Erlös ihnen direkt zufliesst, dass sie eigenen Kaffee für den lokalen Markt rösten oder viele andere Initiativen zur Schaffung zusätzlicher eigener Einkommen.

Viele Prämienprojekte haben zum Ziel, die Gesundheit und das Wohlergehen von Frauen und Mädchen zu fördern. Beispielsweise werden an 17 Schulen in der Umgebung einer Blumenfarm in Kenia Hygieneartikel an Mädchen ausgegeben, damit sie nicht durch ihre Monatsblutungen von der Schule abgehalten werden, auf einigen Teeplantagen gibt es Programme zur Förderung der Gesundheit von Frauen und Mädchen. Kurse zur HIV-Prävention und zu gesunder Ernährung fördern ebenfalls die körperliche Selbstbestimmung von Frauen.

Zwei BananenarbeiterInnen

Geschlechtergerechtigkeit in den Fairtrade-Standards

In den Fairtrade-Standard wird die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern besonders berücksichtigt. Die zertifierten Unternehmen verpflichten sich, eine Richtlinie gegen sexuelle Belästigung einzuführen und anzuwenden. Allen Arbeitskräften ist es gestattet und möglich Beschwerden direkt und anonym einzureichen. Um die Standardanforderungen zu erfüllen, bilden viele Kooperativen und Plantagen im Fairtrade-System sogenannte „gender-committees“, die sich explizit um Frauenförderung kümmern.

Mehr über die Fairtrade-Standards

Die Fairtrade-Gender-Strategie

Fairtrade hat erkannt, dass mit den Vorgaben der Standards allein das Problem nicht gelöst werden kann. Es geht nicht nur um gesellschaftlich tief verankerte Werte und Normen, sondern auch um Verteilung von Hausarbeit, mangelnde Bildung und ungleiche Besitzverhältnisse, die eine gleichberechtigte Teilhabe behindern. Aus diesem Grund wurde 2016 eine Gender-Strategie verabschiedet, um Geschlechtergerechtigkeit gezielt zu fördern.

Was vorher im Rahmen der Standardvorschriften schon in etlichen Kooperativen praktiziert wurde, wird nun systematisch vorangetrieben: Produzentennetzwerke, Produzentenorganisationen und Fairtrade-Mitarbeiter vor Ort werden angehalten, konkrete Massnahmen zur Frauenförderung auf lokaler/regionaler Ebene zu planen und umzusetzen. Lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Produzentennetzwerke werden sensibilisiert und geschult, das Thema Gleichstellung in ihren Beratungen für die Produzentengruppen einzubinden. Dabei müssen immer auch die individuellen Herausforderungen in den einzelnen Regionen und verschiedenen Produktionsbereichen beachtet werden.

Teilnehmerinnen an der Woman's School of Leadership in der Elfenbeinküste

Die Women's School of Leadership

Ein Beispiel für Massnahmen zur Frauenförderung im Rahmen der Gender-Strategie ist die „Fairtrade Women‘s School of Leadership“, die von allen drei Produzentennetzwerken betrieben werden. Den Anfang machte Fairtrade Africa bereits vor zwei Jahren.

Mehr erfahren

Anfang 2016 wurde die international abgestimmte Fairtrade-Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter für die Jahre 2016 - 2020 aktualisiert und verabschiedet. Dazu gehört, dass in den drei Produzentennetzwerken in Afrika, Asien und Lateinamerika jeweils eine Person für das Thema verantwortlich ist und es bei den Mitgliedsbetrieben auf die Agenda bringt. Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren durch Unterstützungsmaßnahmen in den Organisationen deutliche Verbesserungen auf diesen Gebieten zu erreichen und die Teilhabe von Frauen dauerhaft zu erhöhen. Dabei werden die individuellen Herausforderungen in den einzelnen Regionen und verschiedenen Produktionsbereichen beachtet.

Maßnahmen zur Frauenförderung auf lokaler Ebene sind unter anderem:

  • Frauen erhalten Kredite, um sich selbständig machen zu können und die Produktionsverfahren zu verbessern.
  • Frauen wird Landeigentum oder das Eigentum an Produktionsmitteln übertragen.
  • Frauen erhalten spezielle Führungstrainings.
  • Frauen und Männer nehmen an Gleichberechtigungskursen teil, um ein Bewusstsein für die herrschenden Strukturen zu entwickeln und alternatives Verhalten einzuüben.

All diese Maßnahmen zur Stärkung der Frauen wurden in der Vergangenheit in vielen Fairtrade-Kooperativen und Plantagen bereits durchgeführt. Durch die Gender-Strategie werden sie nun systematisch für alle zugänglich gemacht. Zudem bekommt das Thema der Geschlechterungleichheit auf diese Weise eine größere Bedeutung bei allen Beteiligten.