Die erste "Women‘s School of Leadership" in Afrika
Neue Möglichkeiten für Frauen in der Elfenbeinküste
Die "Women’s School of Leadership" ist ein innovatives Programm zur Stärkung von Frauen. Nachdem das Produzentennetzwerk in Lateinamerika seit mehreren Jahren sehr gute Erfahrungen mit diesem Programm macht, haben auch die Netzwerke in Afrika und Asien begonnen, es in verschiedenen Ländern umzusetzen. In verschiedenen Trainings erwerben Frauen und Männer Kompetenzen in den Bereichen Finanzen, Verhandlung und Entscheidungsfindung. Sie werden für Gleichstellung sensibilisiert und ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt.
Unsere Fairtrade-Kollegin Michelle Gillian aus England besuchte im Dezember 2017 die erste „Women’s School of Leadership“ in der Elfenbeinküste. Von ihr stammt der folgende Bericht:
Fairtrade-Produzentinnen auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung
Für Kakaobäuerinnen in der Elfenbeinküste gibt es nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Wenn sie auf den Farmen ihrer Männer mithelfen, sich um die Kinder kümmern und Essen für die ganze Familie zubereiten, bleibt vielen Frauen meist nicht die Zeit, die Unterstützung oder die Energie, um mehr zu leisten.
Um Ihre Situation nachhaltig zu verbessern, rief Fairtrade in Partnerschaft mit der Compass Group UK & Irland die „Women's School of Leadership“ ins Leben. Sie soll Kakaobäuerinnen dabei unterstützen, durch bessere Anbaumethoden ein höheres Einkommen zu erzielen. Vor allem aber soll sie dazu dienen, ihnen Selbstvertrauen und Sicherheit zu vermitteln, damit sie selbst unternehmerisch tätig und zu Führungspersönlichkeiten innerhalb ihrer Kooperative und der lokalen Gemeinschaft werden können.
Das Programm startete im Mai 2017 mit der ersten Teilnehmer-Gruppe, bestehend aus 19 Frauen und drei Männern. Der Kurs erstreckt sich über ein Jahr und besteht aus vier Schulungseinheiten mit jeweils drei Tagen Training und einem laufenden Mentorenprogramm in den jeweiligen Dörfern der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Durch das Programm werden die Studentinnen dabei unterstützt, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Der Kurs bietet Schulungen zu Themen wie Verhandlungsgeschick, Finanzmanagement und Menschenrechte an. 2019 unterstützen verschiedene Akteure, darunter auch Fairtrade Deutschland, dass das Programm in der Elfenbeinküste fortgesetzt werden kann.
Echte Begeisterung
Als ich das Programm Anfang 2018 besuchte, begann gerade die zweite dreitägige Kurseinheit. Wir bekamen die Gelegenheit mit einigen Studentinnen zu sprechen, um zu erfahren, wie der Besuch der Schule ihr Leben verändert hatte. Als der Kurs begann, war ich überwältigt von der unglaublichen Begeisterung und Energie, die mir in dem heissen, feuchten Raum entgegenschlug. Die Schüler – alle im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte fünfzig – konnten es kaum erwarten, aufzustehen und mir ihre Geschichten zu erzählen.
Zum Beispiel fühlte sich Madeline, eine 40-jährige Kakaobäuerin mit drei Kindern, nach dem Kurs so sehr gestärkt, dass sie ihre Angst, vor vielen Menschen zu sprechen, besiegte. Sie stellte sich bei einem Treffen der Kooperative vor die anderen Mitglieder und sprach über die Bedeutung von Frauenförderung. Die Genossenschaft erkannte sofort ihre Leidenschaft für das Thema, ernannte sie daraufhin zur Gender-Beauftragten ihrer Gemeinschaft und gab ihr so die Möglichkeit, das Thema weiter voranzutreiben.
Therese dagegen stand vor einem rechtlichen Problem. Ihr Vater starb, als sie noch jung war. Das Land, das rechtlich gesehen ihr gehören sollte, erhielt ihr Onkel. In der ländlich geprägten Elfenbeinküste ist es für Frauen heute immer noch schwierig, eigenes Land zu erben oder zu besitzen. Frauen verlassen die Schule oft frühzeitig und heiraten jung, viele von ihnen unter 18 Jahren. Obwohl die meisten Arbeiten auf dem Hof von Frauen erledigt werden, treffen die Männer weiterhin alle Entscheidungen.
Nach ihrem Training in der „Women’s School of Leadership“ ging Therese zu ihrem Onkel und fragte nach ihrem Grundstück. Er verweigerte. Also ging sie zu dem örtlichen Unterpräfekten, der in solchen Fragen Schiedsverfahren durchführt, und er traf eine Entscheidung zu ihren Gunsten. Sie hat ihr Land zurückbekommen, besitzt nun eine eigene kleine Farm und kann ihr eigenes Geld dazuverdienen.
Nicht nur für Frauen
An dem Kurs nehmen auch Männer teil, die sich mit ihrer Teilnahme darum bemühen, „Gender Champions“ zu werden: Sie tragen durch ihren Einsatz dazu bei, die Vorteile der Gleichstellung von Frauen und ihren positiven Beitrag zur lokalen Wirtschaft in den Gemeinden bekannter zu machen. Sylvain Beugri, leitender Angestellter einer Genossenschaft, ist einer der Männer, mit denen wir sprachen. Er sagte, der Kurs habe seine Einstellung radikal verändert. Nach dem Kurs übernahm er zum Beispiel einfach das Geschirrspülen zu Hause. Mitglieder der Genossenschaft kamen nach ihren Besprechungen oft zu Besuch, sahen, wie er den Abwasch erledigte und sagten: "Dafür bist du nicht gemacht, das ist Frauenarbeit!" Sylvain berichtet weiter: "Ich habe sie gefragt, warum Männer das nicht machen können und sie konnten es mir nicht erklären.“ Das unterstreicht, dass oftmals die einfache Frage nach dem „Warum“ zu kleinen Veränderungen führen kann, die grosse Unterschiede im Leben der Menschen bewirken.