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Stellungnahme zur Berichterstattung im Beobachter vom 10. Mai 2024

Fairtrade Max Havelaar nimmt Stellung zum Artikel des Schweizer Magazins «Beobachter» vom 10. Mai 2024 über Rosenfarmen in Kenia.

Das Magazin Beobachter hat am 10. Mai 2024 eine Reportage veröffentlicht, in der teilweise schwere Vorwürfe gegen mehrere Fairtrade-zertifizierte Blumenfarmen in Kenia erhoben werden. Fairtrade Max Havelaar nimmt diese Vorwürfe, insbesondere diejenigen von Gewalt am Arbeitsplatz, sexueller Belästigung und Einschüchterung in jeder Form, äusserst ernst. Wir betrachten jede Form von Ausbeutung und Missbrauch als inakzeptabel.  


Bewusstsein und Massnahmen zur Adressierung von Risiken in globalen Lieferketten
Fairtrade ist sich der Risiken in globalen Lieferketten bewusst und hat sich schon mehrfach entsprechend geäussert. Insbesondere der Rosensektor birgt mehrere Risiken, über die Fairtrade öffentlich gesprochen hat, siehe z.B. das jüngste Interview mit Fabian Waldmeier, CEO von Fairtrade Max Havelaar, in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens

Um die Risiken zu adressieren, hat Fairtrade kürzlich seinen Blumen- und Pflanzenstandard verstärkt, besonders hinsichtlich des Risikos sexuellen Missbrauchs. Um die Blumenfarmen bei der Einhaltung der Standards zu unterstützen, hat Fairtrade Programme ein- und durchgeführt, wie zum Beispiel Schulungen von über 1’200 Beschäftigten zum Thema sexuelle Belästigung.

Trotz der eingerichteten Strukturen, Ausschüsse und Meldesysteme bleibt es äusserst schwierig, Fälle von sexuellem Missbrauch aufzuklären. Es ist daher sehr wichtig, dass direkt Betroffene oder Zeugen solcher Vorfälle diese an FLOCERT, dem unabhängigen Zertifizierer von Fairtrade, via  WhatsApp, Website, E-Mail, Telefon oder Skype melden, damit sie untersucht werden können.

Umgang mit Pestizideinsatz
Der Wunsch nach makellosen Schnittblumen macht einen pestizidfreien Anbau praktisch unmöglich. Die Risiken eines vollständigen Ernteverlusts oder einer Ablehnung durch die Handelspartner sind zu gross.
Die Fairtrade-Standards verbieten den Einsatz von Pestiziden, die die grössten Gesundheitsrisiken für die Arbeiter:innen und die Umwelt darstellen. Fairtrade fordert auch die schrittweise Abschaffung aller anderen Pestizide, die von Organisationen wie den Vereinten Nationen und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) als hochgefährlich eingestuft werden. Der Schutz der Gesundheit und des Wohlergehens der Menschen steht im Mittelpunkt der Arbeit von Fairtrade. Deshalb schreiben die Fairtrade-Standards neben dem Verbot der gefährlichsten Pestizide auch Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Arbeiter:innen vor. Dazu gehören die Verwendung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung, Pausen zwischen dem Sprühen und dem erneuten Betreten der Gewächshäuser, Schulungen zur persönlichen Sicherheit, die Reduzierung des Pestizideinsatzes und ein fachgerechtes Abfallmanagement.

Entlöhnung von Beschäftigten
Der Mindestlohn für Arbeiter:innen auf kenianischen Blumenfarmen entspricht zum jetzigen Zeitpunkt dem Tarifvertrag in Kenia. In anderen ostafrikanischen Ländern ist der Fairtrade-Mindestlohn für Blumenarbeiter:innen sogar bis zu 120% höher als die lokalen Tarifverträge. Im Juni 2024 wird der Fairtrade-Standard für Blumen und Pflanzen zudem bezüglich einer Verbesserung der Löhne von Arbeiter:innen revidiert. Fairtrade schlägt darin vor, dass mit jeder verkauften Fairtrade-Blume ein fester Beitrag zur Verbesserung der Löhne von Blumenarbeiter:innen in Richtung existenzsichernder Löhne geleistet wird. Dieser Vorschlag wird angenommen, wenn mehr als 50% der Fairtrade Stakeholder entlang der Lieferkette zustimmen.

Untersuchungen durch FLOCERT
Fairtrade Max Havelaar hat nach Kenntnisnahme der Anschuldigungen durch den Beobachter umgehend eine Untersuchung beim unabhängigen Zertifizierer FLOCERT eingeleitet. Stellt FLOCERT Verstösse gegen die Fairtrade-Standards fest, muss die zertifizierte Organisation geeignete Massnahmen ergreifen, um diese zu beheben. Gelingt dies nicht, oder wiegen die Verstösse schwer, können Betriebe suspendiert oder dezertifiziert werden.

Massnahmen durch das «Act to Protect Committee» von Fairtrade International
Die Anschuldigungen wurden unverzüglich dem Fairtrade International Protection Committee gemeldet. Das Komittee stellte fest, dass die Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs unter die «Act to Protect Policy» fällt. Dies bedeutet, dass der Fall zur Weiterverfolgung an das «Social Compliance Committee» von Fairtrade Africa verwiesen wurde. Die Weiterverfolgung umfasst eine sichere Bewertung durch geschulte Mitarbeitende und gegebenenfalls die Weiterleitung an die zuständigen lokalen Behörden oder Menschenrechtsorganisationen.

Im konkreten Fall arbeitet Fairtrade International eng mit Fairtrade Africa zusammen, die bereits im Austausch mit den zertifizierten Farmen in Naivasha stehen. Noch in diesem Quartal wird Fairtrade Africa die Farmen besuchen und mit ihnen zusammenarbeiten, um Massnahmen gegen die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und des Missbrauchs zu ergreifen und umzusetzen. Dazu gehören u.a. Auffrischungsschulungen zu den Fairtrade-Standards für Farmen mit Angestellten in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, einschliesslich der in Kenia geltenden Arbeitsgesetze und der grundlegenden ILO-Konventionen, Auffrischungsschulungen zu den Fairtrade-Standards für Blumen und Pflanzen mit besonderem Schwerpunkt auf 3.1.2, Schulungen gegen sexuelles Fehlverhalten und Sensibilisierung für den Fairen Handel und die Verpflichtung, geschlechtsspezifische Gewalt und sexuelle Belästigung nicht zu tolerieren.

Um mutmasslich betroffene Personen vor weiterem Schaden zu schützen und um die Ermittlungen nicht zu gefährden, unterliegen diese Untersuchungen der Vertraulichkeit. Wir bitten um Verständnis, dass deshalb zu den laufenden Untersuchungen keine weiteren Informationen geteilt werden können.

Fairtrade wichtig für Blumenarbeiter:innen in Ostafrika
Obschon im Blumensektor Risiken und Herausforderungen bestehen: Fairtrade-zertifizierte Blumenfarmen engagieren sich erfolgreich dafür, die Situation vor Ort zu verbessern. So hat Fairtrade nachweislich positive Auswirkungen auf das Leben der Blumenarbeiter:innen auf Fairtrade-zertifizierten Farmen in Ostafrika. Sie erhalten höhere Löhne und haben bessere Arbeitsbedingungen als Arbeiter:innen auf nicht-zertifizierten Farmen. Zusätzlich hat Fairtrade eine wichtige Rolle in der Unterstützung von Arbeitnehmendenrechten und Geschlechtergerechtigkeit. Zu diesem Schluss kommt u.a. eine kürzlich publizierte Studie.

Medienkontakte
Laura Saner, Mediensprecherin, +41 44 278 99 18, media@maxhavelaar.ch
Lukas Krebs, Leiter Kommunikation, +41 44 567 89 50, media@maxhavelaar.ch