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EU-Lieferkettengesetz: Kleinbauernfamilien und Arbeiter:innen in den Mittelpunkt stellen

Mehr als 270 Fairtrade-Produzentenorganisationen aus Lateinamerika, Afrika und Asien fordern in einem offenen Brief wirksame und starke Gesetze zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Sie ersuchen die Europäische Union, ihre Bedürfnisse bei der anstehenden EU-Lieferkettengesetzgebung in den Mittelpunkt zu stellen.

Ein Feldarbeiter läuft durch eine Bananen-Plantage und blickt nach oben links

Fairtrade-Produzentenorganisationen fordern in einem Brief die Europäische Union auf, ihre Interessen in den Mittelpunkt der Sorgfaltspflichtgesetzgebung zu stellen

Die Rechte von Millionen Kleinbäuer:innen und Arbeiter:innen bleiben bis heute unerfüllt, auch wenn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor über 70 Jahren geschaffen wurde. Noch immer sind Menschenrechts- und Umweltverletzungen in landwirtschaftlichen Lieferketten weitverbreitet und Gesetze zur Bekämpfung dieser Verletzungen sind von entscheidender Bedeutung. 

Fairtrade-Produzent:innen fordern wirksame Gesetze zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht

Unterstützt von über 40 Unternehmen - darunter HALBA, Maestrani und Pakka - fordern Fairtrade-Kleinbäuer:innen und -Arbeiter:innen in einem offenen Brief wirksame und starke Gesetze zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht und ersuchen die Europäische Union, ihre Bedürfnisse bei der anstehenden EU-Lieferkettengesetzgebung in den Mittelpunkt zu stellen. Denn trotz starker freiwilliger Initiativen wie Fairtrade sind Gesetze notwendig, um sicherzustellen, dass ganze Lieferketten gemeinsam Verantwortung für Menschen- und Umweltrechte übernehmen.

Die gute Nachricht ist, dass viele Entwicklungen in diese Richtung gehen. So hat die Europäische Kommission kürzlich ihren Vorschlag für ein umfassendes Gesetz zu den unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt vorgelegt. Doch obwohl der Vorschlag einen guten Ausgangspunkt für Verhandlungen darstellt, muss er noch nachgebessert werden. Das vorgeschlagene Gesetz stützt sich stark auf vertragliche Zusicherungen (z.B.  Verhaltenskodexe), die es führenden Unternehmen erleichtern, die Verantwortung an den Anfang der Lieferkette zu verlagern, anstatt die Rolle ihrer eigenen Einkaufspraktiken bezüglich menschlicher und ökologischer Risiken und Verstösse zu hinterfragen. Ausserdem soll die Richtlinie Käufer:innen nicht ermutigen, Geschäftsbeziehungen zu beenden, wenn Probleme entdeckt werden, sondern den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Lieferanten suchen.

Kleinbäuer:innen und Arbeiter:innen sind innerhalb der globalen Lieferketten am stärksten gefährdet, was die Machtverhältnisse und den Anteil an der Wertschöpfung angeht. Deshalb haben Fairtrade-zertifizierte Produzentenorganisationen einen Brief geschrieben, in dem sie die Europäische Union auffordern, ihre Interessen in den Mittelpunkt der Sorgfaltspflichtgesetzgebung zu stellen.

„Der Dialog mit den von Geschäftspraktiken negativ betroffenen Menschen ist ein grundlegendes Prinzip der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht. Wir wollen, dass unsere Stimmen gehört werden“, heisst es in einem Auszug.

Existenzsichernde Einkommen sicherstellen

Die Produzentenorganisationen erklären, dass ihre Rechte unter Druck bleiben, solange die Gesetzgebung nicht sicherstellt, dass Kleinbäuer:innen und Arbeiter:innen ein existenzsicherndes Einkommen erzielen können. Wenn die HREDD-Gesetzgebung und die Praktiken der einkaufenden Unternehmen gar zu zusätzlichen Kosten für die Produzent:innen führen, könnten viele von ihnen diese Anforderungen nicht erfüllen und von den Märkten verdrängt werden – was sich negativ auf die Rechte von Kleinbäuer:innen, Arbeiter:innen und deren Familien auswirkt. Kleinbauernfamilien können Menschenrechts- und Umweltprobleme nur angehen, wenn Unternehmen die Kosten zur Gesetzeseinhaltung teilen.

Fairtrade-Produzent:innen fordern, dass die Gesetzgebung: 

  • Sorgfaltspflichten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg einschliesst
  • die Zusammenarbeit fördert und die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften aufgeteilt werden
  • Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Einkaufs- und Handelspraktiken zu überprüfen und anzupassen
  • einen Fokus auf die Ermöglichung existenzsichernder Einkommen und Löhne legt
  • eine sinnvolle Zusammenarbeit mit Kleinbäuer:innen und Arbeiter:innen verlangt
  • langfristige Handelsbeziehungen fördert

Die Gesetzgebung sollte damit beginnen, dass die Notwendigkeit der Einhaltung dieser Forderungen erkannt wird. Aber auch die eigentlichen Ursachen müssen anerkannt werden. Die Gesetzgebung sollte Unternehmen verpflichten, die schwerwiegendsten Probleme in Bezug auf Menschenrechte und Umweltschutz anzugehen und gleichzeitig mit den Rechteinhabern zusammenzuarbeiten. Mehr Anforderungen und verbindliche Rechtsvorschriften führen nicht automatisch zu wesentlichen Verbesserungen der Menschenrechte vor Ort.

Die oben genannten Elemente, die Zusammenarbeit in der Lieferkette und ein sinnvoller Dialog sind notwendig, um echte Wirkungen zu erzielen. Alle Beteiligten nehmen eine Rolle ein. Aus legislativer Sicht liegt es nun an den Beamten der Europäischen Union, diesen Gesetzesvorschlag weiter auszubauen und so konkrete Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Produzent:innen sicherzustellen.